What would an archaeologist, or rather someone, let’s say like Lara Croft in a future video game or action movie, think about Rachel Harrison’s compilation of obscure objects of civilization, if he would dig out an exhibition of the American artist in two thousand years? Clothing, food, tools, containers of various kinds or the representation of these things would come to light. But would they also add up to form a coherent narrative?
Harrison’s works combine various elements that couldn’t be more disparate, into heterogeneous, complex (John Kelsey calls her works complexes instead of combines in order distance them from Rauschenberg) objects, images, and videos. Her selection, her view on things, draws attention to a broad range of meanings. So a package of soup cubes may be a readymade, but it also refers to the French Renaissance poet and satirist François Rabelais.
The speed with which she establishes interrelations between her works is just as quick as her humor. If the mixing of forms, media, and strategies still is a crucial aspect of contemporary art, with Harrison it becomes slapstick. She combines objets trouvé with artist-made elements, abstraction and figuration, and she has a number of representatives of art history, such as Duchamp, Kippenberger, and Matisse, appear alongside figures from the media, like the singer Amy Winehouse or the 5000- year-old alpine mummy from the Ötztal, whose origin as Austrian or Italian was fought about for years.
Footwear appears in various forms, the view on the soles of a pair of modern sneaker, a caveman with fur shoes, a painting of a shoe after Philip Guston and on top of that a fake bronze polyester cast of a well worn soccer shoe. Might it be possible that the invention of shoes is as relevant for the development of humanity as the upright gait? The upright posture, which was important for the history of sculpture and especially for the statue, is at least in two of Harrison’s works turned upside down. Here engaged and free leg stick up like Dadaist leg-relics or amputations in vases.
And the reclining figure, which is predominantly female in art history, is played by Iceman Ötzi and the aging Kippenberger, who, lying at Amy Winehouse’s feet, makes a drawing with his green fingernails with a nonchalant, pretty feminine gesture. What the three of them share is that they are all already dead. The latter two also share a unique position as artists’-artists, who owe that role not only to their unquestioned skills but also to their much-discussed extensive lifestyle—and in Harrison’s paintings, they have the same green nail polish. The paintings are based on digitally processed crossfadings of different visual sources, including Harrison’s own drawings of 2012, which in this way can be recycled and are available in various sizes and details. The paintings use print and paint on canvas, which makes a clear division of each level even more difficult.
It is paradoxical that Rachel Harrisons work, despite its extroversion and directness, is hard to decipher in the end and that it is precisely the variety of explicit references and intensities that collapses the construction of meaning again. But perhaps it is all quite easy on the other hand, like the meeting of an umbrella and a sewing machine on a dissecting table, or like the shortest short story “Encounter” by Daniil Kharms, who is also interested in the absurd collision of subject, object and language in such a preeminent way: “So one day this guy was going to work, and on the way he met another guy who having bought a loaf of Polish bread went back home where he came from. And that’s basically it.”
Text: Anette Freudenberger
Was würde ein Archäologe oder jemand wie sagen wir Lara Croft in einem zukünftigen Computerspiel oder Actionfilm über Rachel Harrisons Zusammenstellung obskurer zivilisatorischer Objekte denken, wenn er in zweitausend Jahren eine Ausstellung der amerikanischen Künstlerin ausgraben würde. Bekleidung, Lebensmittel, Werkzeuge, Behältnisse unterschiedlicher Art oder die Darstellung dieser Dinge kämen da zutage. Aber fügten sie sich auch zu einer schlüssigen Narration?
Harrisons Arbeiten kombinieren verschiedene Elemente, die disparater kaum sein können, zu komplexen (John Kelsey nennt ihre Arbeiten complexes, statt combines, um sie aus Nähe Rauschenbergs zu rücken), heterogenen Objekten, Bildern und Videos. Dabei lenkt ihre Auswahl, ihr Blick auf die Dinge die Aufmerksamkeit auf sehr weit gefasste Zusammenhänge. So mag eine Packung Suppenwürfel ein Readymade sein, aber sie verweist auch auf den französischen Dichter und Satiriker der Renaissance François Rabelais.
Die Geschwindigkeit, mit der sie Beziehungen zwischen ihren Arbeiten herstellt, ist ebenso schnell wie ihr Humor. Wenn die Durchmischung der Formen, Medien und Strategien ein grundlegender Aspekt der Gegenwartskunst ist, wird sie von Harrison als Slapstick betrieben. Sie verbindet Objets trouvé, mit eigenhändig Produziertem, Abstraktion und Figuration und sie lässt eine ganze Reihe von Vertretern der Kunstgeschichte z. B. Duchamp, Kippenberger, Picasso und Matisse neben Figuren aus den Medien, wie die Sängerin Amy Winehouse und die 5000 Jahre alte alpine Mumie aus dem Ötztal auftreten, über deren österreichische oder italienische Herkunft jahrelang gestritten wurde.
Schuhe tauchen in unterschiedlichster Form auf: eine Ansicht der Schuhsolen moderner Sneaker, ein Höhlenbewohner mit Fellschuhen, ein Schuhbild nach Philip Guston und dann auch noch ein Fake-Bronzeguss aus Polyester eines abgetragenen Fußballschuhs. Schon möglich, dass die Erfindung von Schuhwerk für die Entwicklung der Menschheit ähnlich bedeutend ist, wie der aufrechte Gang. Die aufrechte Haltung, die für die Geschichte der Skulptur und hier vor allem für das Standbild einmal so wichtig war, ist zumindest bei zwei Arbeiten Harrisons auf den Kopf gestellt. Hier stecken Spiel- und Standbein, wie dadaistische Beinreliquien oder Amputationen in irgendwelchen Vasen.
Und die liegende Figur, die in der Kunstgeschichte doch überwiegend weiblich ist, wird von Ötzi und dem alternden Kippenberger gegeben, der Amy Winehouse zu Füssen liegend, mit nonchalanter, recht femininer Geste mit seinen grünen Fingernägeln eine Zeichnung hinwirft. Gemeinsam ist den Dreien nur, dass sie bereits tot sind. Die Letzteren verbindet zudem ihre Ausnahmeposition als Künstler-Künstler, die sie nicht nur ihren außer Frage stehenden Fähigkeiten, sondern auch ihrem viel diskutierten exzessiven Lebensstil verdanken – in Harrisons Bildern tragen sie außerdem den gleichen grünen Nagellack. Die Malerei geht von digital bearbeiteten Überblendungen verschiedener visueller Quellen aus, unter anderem von eigenen Zeichnungen von 2012, die so wieder verwertet werden können und in verschiedenen Größen und Ausschnitten verfügbar sind. Die Bilder verwenden Print und Farbe auf Leinwand, wodurch die eindeutige Trennung der einzelnen Ebenen weiter erschwert wird.
Es ist paradox, dass die Arbeiten trotz ihrer Extrovertiertheit und Direktheit letztlich kaum zu entschlüsseln sind, dass es gerade die Vielzahl expliziter Hinweise und Intensitäten ist, die die Konstruktion von Bedeutung immer wieder zusammenfallen lässt. Aber vielleicht ist es auch ganz einfach, so wie das Zusammentreffen von Regenschirm und Nähmaschine auf dem Seziertisch oder die kürzeste Kurzgeschichte “Begegnung” von Daniil Charms, der sich auf so unübertroffene Art und Weise für die absurde Kollision von Subjekt, Objekt und Sprache interessiert hat. “Da ging einmal ein Mensch ins Büro und traf unterwegs einen anderen Menschen, der soeben ein französisches Weißbrot gekauft hatte und sich auf dem Heimweg befand. Das ist eigentlich alles”
Text: Anette Freudenberger