In her exhibitions and stage productions, Salzburg-based artist Agnes Scherer merges sculpture, painting, drawing, music, and performance to create multilayered object theaters. For Curated by: Untold Narratives she revisits the archive of her own artistic practice to expand and recontextualize a piece about Marie Antoinette originally created in 2019. This scenographic installation, composed of painterly and sculptural elements, uses events from the life of the iconic French queen as a pretext to reflect the ongoing revival of (neo)feudal structures. Scherer portrays Marie Antoinette both at the guillotine and in her yearning for a pastoral life.
At the entrance, a basket of eggs and painted wall ornaments refer to the fully functional farm village, the so-called “Hameau de la Reine”, recently restored with the support of the House of Dior, which the queen had constructed in the gardens of Versailles in 1783 to playfully explore a rustic lifestyle with her children and selected guests. The paintings depict Marie Antoinette in the role of a dutiful peasant woman. A ribbon of paper runs through the installation like a carpet. Serving as a kind of cosmic gateway, Scherer’s folk-art guillotine is repeatedly breached by the queen in order to project herself, miraculously unharmed, into new idylls: as a shepherdess tending lambs or, in a Stone Age idyll, as the tattooed enchantress of a wild cow. In Strawfires, the narrative of decapitation is not addressed as an end in itself, but rather as an ongoing process of transformation and a repetitive sequence of defiance and renewal, as represented by the symbolically freighted head-catching baskets of the guillotine. The final piece depicts a basket on the banks of the Tiber containing the abandoned infants Romulus and Remus, who would later be found and raised by a swineherd. They were thus able to claim the throne as adults, bringing to fruition precisely that which was to have been prevented. Marie Antoinette is emblazoned above them in a sun-like royal corona.
In contrast to glorifying perspectives on the French Revolution, Strawfires offers an ambiguous portrait of these events. The title refers on the one hand to the recurring overwriting of revolutionary agendas by neo-feudal demands for power, privilege, and profit maximization.
And so, just 12 years after the abolition of the monarchy in France, the Napoleonic Empire was proclaimed. On the other hand, the title refers to a romanticized dream of egalitarianism within the broader societal context—a dream to which the pretense of simple lifestyles, detox rituals, or regular retreats to remote ‘cabins’ for mental and physical cleansing pay little more than lip service. Marie-Antoinette’s village project was inspired by her serious engagement with the ideas of Jean Jacques Rousseau and the vision of a natural, egalitarian society.
–Eva Birkenstock
In Ausstellungen und Bühnenstücken vereint die in Salzburg lebende Künstlerin Agnes Scherer Skulptur, Malerei, Zeichnung, Musik und Performance zu vielschichtigen Objekttheatern. Für Curated by: Untold Narratives greift sie auf das Archiv ihrer eigenen künstlerischen Praxis zurück, um eine ursprünglich im Jahr 2019 entstandene Arbeit zu Marie Antoinette zu erweitern und neu zu kontextualisieren: eine szenische Installation aus malerisch-skulpturalen Elementen mit der Scherer Ereignisse aus dem Leben der mythenumwobenen französischen Königin zum Anlass nimmt, um das ständige Wiederaufleben von (neo-)feudalen Strukturen zu reflektieren. Sie inszeniert Marie Antoinette in der Guillotine sowie im Kontext ihrer Sehnsucht nach einem pastoralen Leben.
Eingangs verweisen ein Korb mit Eiern sowie gemalte Wandornamente auf das voll funktionstüchtige, kürzlich mit der Unterstützung des Hauses Dior restaurierte Bauerndorf, den sogenannten „Hameau de la Reine“, den die Königin im Jahr 1783 im Schlossgarten von Versailles errichten ließ, um mit ihren Kindern und ausgewählten Gästen spielerisch einen rustikalen Lebensstil zu erproben. Die Malereien stellen Marie Antoinette in der Rolle einer hingebungsvollen Bäuerin dar. Teppichähnlich führt ein Papierband durch die Installation. Als eine Art kosmisches Tor wird hier die von Bauernmalerei überzogene Guillotine Scherers‘ gleich mehrfach von der Königin durchbrochen, um sich, wundersam unversehrt, in neue Idyllen zu projizieren: als Schäferin mit Lämmern sowie in einem Steinzeit-Idyll als tätowierte Beschwörerin eines wilden Rindes. Die Narration der Enthauptung wird bei „Strawfires“ nicht als Ende thematisiert, sondern als anhaltender Transformationsprozess und eine sich wiederholende Abfolge von Aufbegehren und Neubeginn, was sich anhand symbolischer Aufladungen der zur Apparatur gehörigen Auffangkörbe zeigt. Den Abschluss bildet ein Korb am Ufer des Flusses Tiber mit den zwei ausgesetzten Säuglingen Romulus und Remus, die später von einem Schweinehirten gefunden und aufgezogen wurden. So konnten sie als Erwachsene die Thronfolge beanspruchen und es löste sich ein, was man zu verhindern gesucht hatte. Über ihnen prangt Marie Antoinette in sonnenköniglichem Strahlenkranz.
Entgegen heroisierender Perspektiven auf die französische Revolution, entwirft “Strawfires” ein doppelbödiges Portrait dieser Ereignisse. Der Titel, übersetzt Strohfeuer, bezieht sich einerseits auf die bis in die Gegenwart reichende wiederholte Überschreibung von revolutionären Programmen durch neofeudale Ansprüche nach Macht, Privilegien und Profitmaximierung. So wurde denn auch schon 12 Jahre nach der Abschaffung der Monarchie in Frankreich das napoleonische Kaiserreich ausgerufen. Andererseits verweist der Titel auf sozialromantisches Begehren nach einem gerechteren Dasein im breiteren gesellschaftlichen Zusammenhang, mit welchem innerhalb von Kulissen einfacher Lebensweisen, Detoxritualen oder regelmäßigen Ausflügen in abgelegene “Cabins’’ zwecks mentaler und körperlicher Reinigung unbeständig geflirtet wird. Marie-Antoinette war mit ihrem Dorfprojekt ihrerseits inspiriert durch ernst gemeinte Auseinandersetzung mit dem Gedankengut Jean Jacques Rousseaus, der Vision einer naturnahen und egalitären Gesellschaft.
–Eva Birkenstock