A lion and a tiger lock jaws in a deathly embrace. It is a spectacular paragonal scene after a drawing by Delacroix which Amelie von Wulffen places into an abstract colour space, the like of which one might find on a beautiful silk scarf. In the works by this Berlin artist, disparate painterly vocabularies, like those of figuration and abstraction, encounter one another with great density and ferocity, and representation is repeatedly ruptured, leading into an abstract, psychologically charged space.
Amelie von Wulffen is well known for her collaged pictures that extend photography with painterly means beyond the image, and that continue paintings beyond the frame, the borders of representation, into real space on walls or even furniture. In her latest works, some of which have already been shown at the Aspen Art Museum, there are no longer any photographic self-portraits or memories from her familial surroundings, no direct counterparts in reality.
Rather, Amelie von Wulffen shows painting as a highly artificial construct. She ploughs through layers of older oil paintings from pre and early modernism, fragments them and zooms in on individual subjects. In the exhibition, we find loans from still lifes by Goya, Courbet, as well as Dutch still lifes and landscapes and self-portraits after Marées, Caillebotte, van Gogh, and again Goya, introduced like individual chapters where one can spend some time. But in addition to these familiar motifs from art history, the artist also uses other creative designs: Lüftlmalerei (decoratively painted facades, common in Bavaria and Tyrol), decorative wall paintings in restaurants, or handicrafts like dip paint or batik dyeing.
The still lifes of dead animals, dead flowers and fruits, isolated, cut-apart objects that are displayed like commodities interest Amelie von Wulffen as the historic moment of painting that is becoming conscious of itself and presents the perfect illusion as such. In her exhibition, a hugely inflated and mutated blowfly, which may have risen from the macabre animals, circles as a trompe-l’œil in the staircase, painting with its science-fiction like insect legs abstract smears onto the canvas.
In the self-portraits, the appropriation in the active imitation of the painterly gesture of those who are absently present, who have seen themselves in the mirror and now look out at the beholders from another time, is even more direct, and closer. The self-portrait marks the moment of the highest self-referentiality, into which Amelie von Wulffen subsequently inscribes herself to produce something like a painted star poster of the artists she admirers.
The gaze from the painting goes hand in hand with other techniques that open up the painterly space. The niches, windows, and doors that create an illusion of space in still lifes link what is palpably close with things that are further away. Amelie von Wulffen executes the opening to an outside in her abstract Lüftlmalerei on the gallery’s interior walls, but above all along the rupture lines in her pictures, in the dream-like, confrontational combination of very different pictorial fragments that are executed either as analytical re-enactments, but sometimes also regale in the colours. By focussing on the possibilities and conditions of the medium, she reveals painting as an extremely artificial space that is nonetheless continuously compared to, and reconciled with, other horizons of experience.
If we leave the exhibition with the sense of just having finished a book, or of leaving the cinema and going outside, where it is perhaps still light, and if we then turn around, we once again encounter Goya’s gaze with Amelie von Wulffen’s eyes, and that is what we then take with us into reality.
Text: Anette Freudenberger
Translation: Wilhelm v. Werthern
Ein Löwe und ein Tiger verbeißen sich in einer tödlichen Umarmung ineinander. Es ist eine spektakuläre paragonale Szene nach einer Zeichnung von Delacroix, die Amelie von Wulffen in einen abstrakten Farbraum setzt, den man ähnlich auch auf einem schönen Seidentuch finden könnte. In den Bildern der Berliner Künstlerin treffen disparate Sprachformen der Malerei, z. B. Figuration und Abstraktion, gleichzeitig und mit ungeheurer Dichte aufeinander, wobei die Repräsentation immer wieder abbricht und in einen abstrakten, psychisch aufgeladenen Raum übergeht.
Amelie von Wulffen ist für ihre collagierten Bilder bekannt, die Fotografie über den Ausschnitt hinaus malerisch erweitern und die Malerei über den Rahmen, über die Grenzen der Darstellung hinaus in den realen Raum auf Wänden oder auf Möbeln weiter führen. In ihren neueren Arbeiten, von denen einige schon im Aspen Art Museum zu sehen waren, gibt es keine fotografischen Selbstporträts oder Erinnerungsstücke aus ihrer familiären Umgebung, kein direktes Pendant mehr in der Realität.
Vielmehr zeigt Amelie von Wulffen Malerei als höchst artifizielles Konstrukt, pflügt Schichten älterer ölmalerei der Vor- und Frühmoderne um, zerstückelt sie und zoomt einzelne Sujets heraus. In der Ausstellung sind Anleihen bei Stillleben von Goya, Courbet und bei niederländischen Stillleben zu sehen, sowie Landschaften und Selbstporträts nach Marées, Caillebotte, van Gogh und wieder Goya, die wie eigene Kapitel vorgestellt werden, in denen man sich aufhalten kann. Aber neben diesen bekannten Motiven der Kunstgeschichte greift die Künstlerin auch visuelle Elemente anderer kreativer Gestaltungen auf: Lüftelmalerei, dekorative Ausmalungen in Restaurants oder Basteltechniken wie Tauchlack und Batik.
Die Stillleben von toten Tieren, toten Blumen und Früchten, isolierten, zerschnittenen Objekten, die als Waren ausgelegt werden, interessieren Amelie von Wulffen als historischer Moment einer Malerei, die sich ihrer selbst bewusst wird und die perfekte Illusion als solche vorführt. In ihrer Ausstellung dreht eine überdimensional mutierte Schmeißfliege, die von den makabren Tieren aufgestiegen sein mag, als Trompe-l’œil im Treppenaufgang ihre Kreise und malt so mit ihren Science-Fiction-haften Insektenbeinen abstrakte Schlieren auf die Leinwand.
Bei den Selbstporträts ist die Aneignung im aktiven Nachvollzug der Malbewegung der anwesend Abwesenden, die sich im Spiegel gesehen haben und die Betrachter/innen aus einer anderen Zeit heraus anschauen, noch direkter und näher. Das Selbstporträt ist der Moment der maximalen Selbstbezüglichkeit, in den sich Amelie von Wulffen nachfolgend hineinschreibt, um so etwas wie einen gemalten Starschnitt der von ihr verehrten Künstler herzustellen.
Der Blick aus dem Bild heraus geht mit anderen Techniken, den malerischen Raum zu öffnen, einher. Die raumillusionierenden Nischen, Fenster und Türen in der Stilllebenmalerei verbinden das greifbar nahe mit dem Fernen. Amelie von Wulffen vollzieht die öffnung auf ein Außen in der abstrakten Lüftelmalerei auf den Wänden der Galerieräume, aber vor allem entlang der Bruchlinien in ihren Bildern, in der traumähnlichen, konfrontativen Kopplung sehr verschiedener Bildfragmente, die analytisch nachvollziehend, aber manchmal auch in der Farbe schwelgend ausgeführt sind. In der Fokussierung auf die Möglichkeiten und Bedingungen des Mediums, zeigt sie Malerei als eigenen, extrem künstlichen Raum, der dennoch permanent mit anderen Erfahrungshorizonten abgeglichen wird.
Verlässt man die Ausstellung mit dem Gefühl, man habe soeben ein Buch beendet oder käme aus dem Kino nach draußen, wo es vielleicht noch hell ist, und schaut man sich dann noch einmal um, begegnet einem erneut Goyas Blick mit Amelie von Wulffens Augen, und den nimmt man mit in die Wirklichkeit.
Text: Anette Freudenberger