Christian Jankowski / Franz West
Telekommunikation
Main gallery
May 17th 2000 – Jun 30th 2000



Ausstellungstext

Eine Ausstellung, die versucht die neuen Potentiale des Internets für die Kunst auszutesten. Christian Jankowski stellt mit seiner Videoinstallation Let´s get physical/digital ein in Schweden im eigens eingerichteten Chat-Room, realisiertes Projekt vor, das die Liebestauglichkeit des neuen Mediums auf die Probe stellen soll. Täglich entwarfen Una Szeeman (in Italien) und Christian Jankowski (in Schweden) einen Ort der Erfüllung, der in Ausstattung und Funktion verbunden war mit den Sehnsüchten und Visionen von Zweisamkeit: Eine Bauchtanzecke, ein »Bed of Dream« – und sogleich begann Jankowski auch mit der Realisation des erträumten Interieurs. Die täglichen Dialoge waren im Netz öffentlich zugänglich. Sie wurden von Laiendarstellern, deren Castings über Websites elektronisch abgewickelt wurden, gespielt. Die scheinbar spontanen und intimen Gespräche sind als Videoprojektion in der Ausstellung in der Galerie präsent. Damit schafft Jankowski eine öffentliche Bühne, die die eigene Identität an der Grenze zwischen gelenkter Selbstdarstellung, künstlerischer Performance und vorgeblichem Exhibitionismus, zeigen soll.

Franz West stellt Jankowsk’s Video-Installation das Environment „Gemeier“ im Eingangsbereich der Galerie entgegen, mit dem er versucht den Defekt der Sprache mit Schüttelversen zu kompensieren.
Dazu verzeichnet West auf dem Bildschirm folgende Instruktion:
In Referenz auf den Merzbau von Schwitters entwarf Franz West das Mixed-Media-Environment „Gemeier“.
Die Skulptur „Meierei“ 1999, bildet den Ausgangspunkt.
Sie ist das Produkt einer Verwandlung eines ihm zur „weiteren künstlerischen Bearbeitung“ geschenkten Salontisches in eine Tischskulptur, zwecks Einrichtung eines Restaurants.
Da die Arbeit vom Wirt nicht als „Kunst“ angenommen wurde, wurde sie für eine Ausstellung 1999 in (der) Galerie zu einer Kombinationsskulptur mit schräggesägten Tischbeinen und darüberliegendem Bild von Rudolf Polansky weiterentwickelt.
In der laufenden Ausstellung „Telekommunikation“ mutierte die „Meierei“ nunmehr zum „Gemeier“, d.h. der Tisch ist nunmehr noch schräger, größer und an der Wand hängend.
Die mit zwei Löchern perforierte Tischplatte bildet die Projektionsfläche für ein Internetscreening, das von einer gegenüberliegenden skulpturalen Säule ausgestrahlt wird.
Unter dem Tisch befindet sich die, an die Wand gelehnte Bildfläche des Gemäldes von Rudolf Polansky.
Das Ensemble wird ergänzt von vier, von West entworfenen, blauen, samtbezogenen Stühlen, einem Tisch mit Tabulatur und zwei sehr großen Vorhängen (alte Teile aus einem abgebrannten Schloss in Italien wurden auf Samt kaschiert und bemalt).
Auf die, mit Spezialfolie (hochreflektierend) bespannte Tischfläche, wird die Homepage von Franz West: www.franzwest.at projiziert.
Von der Homepage, deren Textelemente wie Billardkugeln flotieren, gelangt der Surfer entweder zu folgendem Text:
„Gemeier“ (jid.), Gemäuer/Monsignore Otto Mauer, Begründer der Galerie Nächst St.Stephan, erste und damals einzige Galerie für zeitgenössische Kunst:
„Kunst ist das, was einer, der von Kunst Ahnung hat, für Kunst hält“.
Oder der Betrachter gelangt unter „goes online“ zum Text:
„Worauf hier projiziert wird ist die Meierei. Sie ist um 90° gedreht und erinnert mich (privat) an eine Mischung aus Merzbau + Heimatfilmkulisse – der Heimatfilm verschränkt mit dem Dadaismus /die solide Währung der vormaligen Gegenwartskunst“.
Aber dieses Environment soll ihnen ein Rebus sein, den sie selbst erstellen sollten oder soundso sich stellen, in einem Gebrauch des Internet als Readymade, wie McLuhan in seinen „Magischen Kanälen“ es versteht – (Medium = Message). Sind Readymades Dadaismen?
Verschiedene Fachbegriffe „Dadaismus, Merzbau, McLuhan“ öffnen Suchmaschinen, die alle im Internet verfügbaren Fachbegriffe zum entsprechenden Thema aufrufen.
Geht man zu Rebus erscheinen Schüttelreime wie:
„Wenn der Rebbe trennt
schickel’ns
ach die Wänd’ und alle Chassiden
kläppn in die Händ“

Auch hat der Host die Möglichkeit mit einem eigenen Reim, wie es auf öffentlichen Toilettenanlagen mitunter der Brauch ist sich zu verewigen.“