Heimo Zobernig
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Nov 26th 2003 – Jan 22nd 2004



Ausstellungstext

Zobernig – eigentlich ein Maler?
Diese These könnte man biographisch zu untermauern versuchen, darauf hinweisend, dass sich Zobernig in seiner ersten Ausstellung Mitte der achtziger Jahre als eine der Neo-Geo-Bewegung nahestehender Maler präsentiert, dass er ohnehin seit 1977 über zehn Jahrelang täglich Gouachen produzierte und überhaupt kontinuierlich Leinwände „behandelt“, so dass ein Konvolut von Bildern entstanden ist, welches eine Art Paralleluniversum zu seinen raumbezogenen Inszenierungen bildet.
Was hier zum Tragen kommt, ist der für Zobernig typische „produktive Traditionsbezug“, der sich bereits in seinen frühen Bildern findet, welche sich mit ihrer geometrischen Formensprache auf das Erbe der Konkreten Kunst beziehen.1 Produktiver Traditionsbezug heißt anzuerkennen, dass das Eigene nur in Auseinandersetzung mit fremden Vorgaben entsteht.
Aus einer formal-ästhetischen, gleichsam malereigeschulten Perspektive betrachtet, lässt sich sein Verfahren als ein Zusammenspiel zwischen individuellen Ausdruck und dem Delegieren an extremen Vorgaben charakterisieren.
Hatte sich der Versuch, den Ausdruck aus der Kunst zu verbannen, schon bei den Züricher Konkreten (Bill, Lohse) als ein nahezu hoffnungsloses Unterfangen erwiesen- schlich er sich doch durch die Hintertüre in Form von unverkennbaren Handschriften immer wieder ein-, so sind Zobernigs auf eine mit Ausdruck verbundene Inhaltlichkeit geradezu angelegt. Ausdruck scheint gleichsam leise in ihnen nachzuhallen. So sehr sie nämlich auch den Eindruck von Systematik erwecken, hat diese Systematik doch etwas eigentümlich Misslungenes, Ungelenkes an sich, so als würde sich hier jemand zögerlich vortasten. An die Stelle einer exakten Ästhetik- dem Ideal der Konkreten Kunst- treten Versuchsanordnungen, die irgendwie selbstgemacht und gebastelt wirkten.
Ein Rest von Ausdruck findet sich sogar in den Streifenbildern, die ja als Inbegriff des Ideals der Konkreten Kunst gesehen werden könnten, stellen sie doch auf den ersten Blick eine Grammatik der Kontraste dar. Die Farben werden hier sprachlich- von Sprachbegriffen ausgehend- sortiert, und ihre Breite ergibt sich aus der Anzahl der in einem Bild verwendeten Farbbegriffe. Die teilweise unterschiedliche Textur der Streifen ergibt sich aus der Materialität der verwendeten Pigmente. Gleichwohl hat man es hier nicht mit einem objektiven System zu tun, es wird vielmehr durch subjektive Kriterien, durch willkürliche Entscheidungen – etwa für den Klang einer Farbbegriffs, der über seine Aufnahme in das System entscheidet- gebrochen. Somit werden die scheinbar objektivsten, sich einem äußeren System verdankenden Streifenbilder immer noch von idiosynkratischen Vorlieben durchzogen. Am deutlichsten lässt sich dieses Zusammenspiel in den so genannten Fleckenbildern demonstrieren, die man als „organisierte Expression“ bezeichnen könnte. Der gestisch anmutende Fleck fusioniert hier gleichsam mit einem pseudoobjektiven Farbsystem. Gerade im delegieren an ein äußeres System liegt bei Zobernig die Möglichkeit für künstlerischen Ausdruck. Objektives und Subjektives verschränken sich bis zur Ununterscheidbarkeit miteinander.

Es sollte deutlich sein, dass diese regelmäßigen Unterwerfungen unter externe Vorgaben ein hohes Maß an Selbstbezogenheit keineswegs ausschließen.
Malerei ist, so gesehen, ein Medium, bei dem es darum geht einen äußeren Zwang- etwa das Format Leinwand oder ihre historische Überdeterminierung- einen persönlichen Code zu verwandeln.
Die systematische Orientierung an externen Vorgaben schließt ihr vermeintliches Gegenteil- die ungezügelte Expression- keineswegs aus.
In letzter Zeit ist dies auch in Zobernigs Videoproduktionen deutlicher geworden. Tatsächlich ließe sich hier ein Hang zum Exhibitionismus konstatieren, der sich in den nackten Auftritten Zobernigs Bahn bricht. Was auf den ersten Blick exhibitionistisch anmutet, verbleibt jedoch bei genauerer Betrachtung im Rahmen einer strengen Choreographie: Inszeniert wird eine geregelte Form der Selbstdarstellung. Es gibt indes noch andere externe Vorgaben, denen diese Performances Folge leisten. Denn als ein in Wien lebender Künstler scheint man keine Wahl zu haben: Irgendwann muss man sich die Kleider vom Leib reißen und sich in Farbe- bei Zobernig sind es farbige Stoffbahnen- wälzen. Nur folgt Zobernig dabei einer so strengen wie spielerisch- selbstvergessenen Versuchsanordnung, die sich von dem Klischee der blutigen Aktionen des Wiener Aktionismus in demselben maße unterscheidet, wie sie das aktuelle Potenzial dieser Kunstrichtung überprüft.

1 Zum Thema „produktiver Traditionsbezug“ siehe auch Georg Stanitzek. „Über Professionalität“, in: Verstärker, hg. Von Markus Krajewski und Harun maye, Jg. 3, Nr. 3, Mai 1998