Isa Schmidlehners Malerei irritiert und versetzt in Staunen. „Meine Bilder sind ja überhaupt gewöhnungsbedürftig“, sagt sie.
Kommen angesichts ihrer Arbeit zuerst die dekorativ-fraktalen Panoramen eines Raoul Dufy oder Wilhelm Thöny in Erinnerung, so überwiegt letztlich der Eindruck einer so noch nicht gesehenen Radikalität. Bei längerer Betrachtung entwickelt sich ein eigentümlicher Zauber, wie das Echo einer Spiegelwelt, die stark an Arthur Rimbaud´s Versuch, eine objektive Poesie, eine universelle Sprache zu begründen, erinnert.
Schmidlehners bildnerische Raumergreifung erfolgt in rhizomatischer Ausbreitung, in dramatischem Wechsel von visueller Übertreibung, örtlicher Verdichtung und betonter Auslassung. Schmidlehner kultiviert die Leerlassung geradezu; derart versetzt sie den Bildraum in Schwebe, erzeugt interfaciale Sensationen.
Die Kompositionen basieren nicht auf einem zentralistisch verstandenen Figur-Grund-Konzept; die Bildfläche erschließt sich vielmehr in Anekdoten, zoomt überraschend auf Details und erinnert darin an die frühen Arbeiten ihrer Professorin Sue Williams. Bewusst verzichtet Schmidlehner auf Tiefe um der Tiefe willen. Dadurch vermeidet sie oberflächlich zu werden.
Im Wechsel zwischen figuralen und malerischen Passagen breitet sich die Malerei kreisförmig aus und widerspricht so jeder Idee von linearem Fortschritt, auch jener, die die übliche Kunstgerade von der Gegenständlichkeit hin zur Ungegenständlichkeit oder von der Repräsentations- hin zur Konzeptkunst zieht.
Wenn für Isa Schmidlehner Künstlerin sein bedeutet, paradigmatisch eine poetische Existenz zu begründen, dann kommen gleichzeitig zwei verschiedene Ebenen zum tragen: eine halb unbewusste, stimmungsbetonte, dunkle, sehnsüchtige Seite und eine bis an die Grenzen des Sehens als Künstlerin wissende. Derart beschreibt sie die großen Zusammenhänge innerhalb und außerhalb der Kunst, berührt von den Vorgängen des Gefühls – nicht vereinsamt in ihrer Einsamkeit.
Uneinheitlicher kann man gar nicht denken. Innen und Außen – das sind verschiedene Wahrnehmungen. Der Mensch scheint für Schmidlehner immer schon doppelt zu sein – für sich und für die anderen. So wagt sie das Intime, das Übersehene, das Übersehbare als Reflex des Außen, als Falte des Außen, in Szene zu setzen. Meist weicht sie den Details der Gesichter aus, malt ein Nicht-Gesicht, und obwohl ihre Malerei hochkoloristisch ist, wirken die ausgeführten Figuren oft unmalerisch hart.
Das Intime ist ihr weniger ein verborgenes, minimales Detail oder gar das übersehene Geschlechtliche, sondern zuallererst ein Raum – der nichtphysikalische Raum schlechthin. Dabei strukturiert Schmidlehner die Räume nach unüblichen Verwandtschaftsbeziehungen, aber die Menschen und Dinge, die die Räume bilden, befinden sich darin gemeinsam als Nicht-zufällige. Schmidlehner malt Verwandschaftsbilder, Zwillingsbilder, beschreibt Schwesternfelder. Die Tatsache, dass Kinder meist etwas an sich drücken, lässt ahnen, dass sie nicht gern allein sind, sie müssen dies erst langsam lernen. Erwachsen sein, hieße dann, nicht mehr zu glauben, dass es eine derartige Verbundenheit gibt.
Peter Sloterdijk hat auf die Einsicht in die grundlegende Zwillinghaftigkeit unserer Existenz eine ganze Ontologie im nachontologischen Zeitalter gegründet. Die Einsamkeit, der Lieblingsheroismus der Moderne, dargestellt als Illusion.
Schmidlehner malt Rundräume, die sich selbst genügen. Wie Paula Modersohn-Becker oder Frieda Kahlo ist auch sie eine Malerin des Runden unter den Bedingungen der Modernität.
Der Weltinnenraum reicht durch alle und alles hindurch. Solche Räume malt Schmidlehner; das Intime als geteilter, zwischen Menschen und Dingen erzeugter Raum – ein Zwischenland. Darin die Farben (der Verkehr der Farben untereinander) und die ihnen eigenen Verwandtschaftsbeziehungen, ihr Charakter und vieles, was sich nur ahnen, nicht sagen lässt. Dabei ist nichts ätherisch, ja beinahe ist sie brutal, rücksichtslos, geradeaus malend.
Oft entsteht ein verräterisches, preisgebendes Bild. Die Künstlerin ist die Sich-Preisgebende; was sie preisgibt aber, bestimmt sie selbst und bei Schmidlehner ist dies meist kindlich, großzügig, frei, lapidar, hat den großen Gesichtspunkt. Ihr Spiegelspiel ist unendlich, und ihre Subjektivität nicht nur für sich. Schmidlehners Weltkindschaft scheint unerschütterlich zu sein.