Michèle Pagel
Rats Roaches Pigeons People
Boltenstern.Raum
Feb 11th 2023 – Apr 8th 2023



Ausstellungstext

Der Haushalt gehört nicht allein den Menschen. Nur zwei Jahrtausende nach dem Errichten der wirtschaftlichen Hausordnung (oìkos: Haus, nomos: Gesetz) bemerkte man schon den eigenen Irrtum und schöpfte schnell aus der Ökonomie die Ökologie. Die ganze Welt ist seither ein Haus.

Was nicht eins ist und nicht ganz, das gilt als schrecklich. Wer will nicht ein glattes Ganzes sein, Apoll und Venus. Aber wir sind Mischwesen, Hybride, Basilisken, vielköpfige Ungeheuer – und das ist schrecklich, somit dürfen wir das nicht sein.

In der Lobby des Repräsentantenhauses stehen die Delegierten vor einem Gemälde und diskutieren. Natürlich nicht über das Gemälde. – Auch nicht über das natürliche Vorkommen von Stimmen im Kopf. Sie wollen ein Haus bauen.

„…um dunkle Brunnenränder, die verwittern,
sich fröstelnd blaue Astern neigen.“ (Trakl)
Vielleicht brauchen wir gar keine Krankheiten, keine Katastrophen oder Kriege. Vielleicht verfallen wir sowieso.

Ein Haufen eigensinnig programmierter Zellen in einem Sumpf von Mikroben, der als Kreislauf von Verfall und Kompostierung auf einem unsichtbar kleinen Planeten vor sich geht. Um nicht ins Grübeln zu kommen, muss man Unwichtiges wichtig nehmen und sich reinhängen. Sind wir unsere eigene Hoffnung und das Erdöl von morgen? Nur nicht grübeln.

Dystopien haben wir bereits zur Genüge hinter uns. Ihre Hybride bestimmen unsere Gegenwart. Was da verwachsen, mutiert, emporgekommen ist, hat sich als Alltags-Figuren etabliert. Ausgeführt in Keramik, Stahl und Beton bergen die Skulpturen Allegorien dessen, was da alles aus der Vergangenheit ans Ufer der Gegenwart gespült wurde.

 

Text: Brandstätter-Foundation