Das Werk Raymond Pettibons stellt zweifellos eine der signifikantesten Erscheinungen der internationalen Kunst der letzten fünfzehn bis zwanzig Jahre dar und übt großen Einfluß sowohl im Bereich der bildenden Kunst als auch im Bereich der Musik aus.
Ein Beleg für die ästhetische Spannkraft, aber auch für die inhaltliche Aktualität von Pettibons Position ist der politisch engagierte Raum auf der Kasseler Documenta XI vom Jahr 2002.
Neben großen „Walldrawings“ hat Pettibon das kleine Zeichnungsformat, meist in Ausstellungen in einer großen Anzahll unprätentiöser Einzelblätter präsentiert, sozusagen neu erfunden.
Die meistpublizierte Arbeit Pettibons, ein Surfer getrieben von einer überdimensionalen Welle, kann als treffende Metapher für das Zeitgefühl einer Generation gelesen werden. Die Wirklichkeit wird nicht vom sicheren ideologisch gefestigten Standort aus wahrgenommen und bewältigt. Feste Werte, klare Standpunkte, lineare Perspektiven lösen sich im Vokabular nostalgischer Wunschvorstellungen auf. Intimität resultiert nicht länger aus der Wahrnehmung einer heimatlichen Umgebung, sondern wird eher im Rahmen von Internet oder Shoppingmall erlebt.
Das labile Gleichgewicht mit dem der Surfer auf der Welle schwebt ist ein Symbol höchster Identität des modernen Individuums mit seiner äußeren Wirklichkeit.
„Für Pettibons Werk gilt, dass es der oberflächlichen Erscheinung nach auf Comics bezogen ist; dies sowohl in der Art der zeichnerisch – malerischen Ausführung als auch in der Bild –Text Kombination und ihrer spezifischen Umsetzung; direkte Vorlagen sind aber auch Fotos verschiedenster Provenienz, Zeitungsbilder, Film –und Videostills usw. Gleichzeitig wird immer wieder hingewiesen auf die Beziehung von Pettibons Werk auf das des englischen Visionärs William Blake, der sich bei seiner Darstellung des Kampfes zwischen Himmel und Hölle ebenfalls des Bildtextes als Grundprinzip bediente.“ *)
Die neuesten in der Ausstellung zu sehenden und bisher noch kaum publizierten Arbeiten zeigen eine stärkere Hinwendung Pettibons zur malerischen Expression, die etwa seit 1998 zu vermerken ist und den zeichnerischen Aspekt stärker in der Hintergrund drängt.
„ Die Ausführung von Pettibons Zeichnung, die im Vergleich zu den Arbeiten professioneller Comic Zeichnungen immer wieder Ecken, Imperfektionen und- wenn man will Zeichenfehler aufweisen, macht deutlich, dass hier ein konzeptueller Bezug zum Comic hergestellt werden soll. Die Arbeiten von Pettibon spielen auf die einfache und klar strukturierte Welt des Comics an, sind aber selbst keine Comics.
Dem Bild haftet auf den ersten Blick, einfach durch die Tatsache, dass es einen bekannten Gegenstand abbildet, etwas Selbstverständliches an, das es bei Pettibon allerdings auf den zweiten und dritten Blick wieder verliert. Zum scheinbar offensichtlichen Bild tritt dann ein Text hinzu, der keinen direkten Zusammenhang herstellt. Man kann hier durchaus von einer zum Bauprinzip erhobenen Form der Diskrepanz oder Dissoziation sprechen.“*)
*)Andreas Hapkemeyer in Raymond Pettibon, Bozen 2003