Landpartie, Une Partie de Champagne, das erinnert an den atmosphärischen Film von Jean Renoir (nach einem Buch von Guy de Maupassant), an flirrendes Licht auf einer Wasseroberfläche, an impressionistische Landschaftsmalerei. Aber eine Landpartie geht auch ganz anders, eher wie die Tschechowschen Scheinidyllen. In seinem Nachruf auf Franz West, der in Baden ein Haus hatte und die Galerie Meyer Kainer sehr geprägt hat, schreibt Ferdinand Schmatz über Wests Verhältnis zu den Dingen, pardon den „Dingern“, der Sprache, dem Körper und zum Diskurs: „Irgendetwas stimmt für ihn – darin, und, überhaupt – nicht. Eine Art Aufbruch setzte sich nach der für Wien typischen radikalen Skepsis den Erscheinungen und Dingen gegenüber in Gang, aber ohne jedes Pathos der Utopie – es war mehr eine Landpartie, wie sie im Wien der Zeit Schuberts stattgefunden hätte. Eine Fahrt ins scheinbar Bekannte, in dem sich aber das Unbewusste mehr als nur heimlich Platz verschaffen sollte, verwoben aus Lust und Melancholie. Wer so und was so zurückkehrte, war oft mit dem Hauch des Vergehens ja, mit dem Hauch des immer präsenten Todes versehen. Neurotisch vielleicht, ja, allemal. Aber stets war auch das eine Art Form. Also: Eine Lebensform, die in sich selber zu verharren schien, aber dennoch Wirkung zeigte.“
Die aus dem Programm der Galerie zusammengestellten Arbeiten verhalten sich wie Gäste, die in einer ungewohnten Umgebung für einige Zeit aufeinander angewiesen sind. Erst nach und nach nehmen Sie das Gespräch auf, mal freundschaftlich mal mit kritischer Distanz. Der Blick von der Seite, die minimale Verschiebung macht aus einem Bild von Heimo Zobernig eines, dass sich selbst spielt in einer Ausstellungsinzenierung. Der schwarze Teppich, der von Heimo Zobernig über die gesamte Fläche des Boltensternraum Baden mit Acrylfarbe schwarz gestrichen wurde, erzeugt ebenfalls eine Realitätsverschiebung und ist zugleich Kommentar auf Konventionen des White Cube.
Die Landpartie bringt Arbeiten zusammen, die genau dieses Kippen zwischen der einen oder der anderen Möglichkeitsform in ständiger Balance halten – zwischen Authentizität und Selbstreflexion etwa, wenn die Arbeiten von Raymond Pettibon zu einem Kommentar auf die gesamte Ausstellung werden. Hält dessen Affenporträt angesichts der vielen Möglichkeiten erschöpft die Hand vor Augen? Aus Überforderung, weil er nicht sehen oder nicht gesehen werden will? Obwohl er wegschaut, stellt sich mit dem Vorhang von Gedi Sibony, der eine ähnliche theatralische Geste zu vollziehen scheint, ein Verbindung her, die auch bei Sibonys Remake eines Concetto Spaziale von Lucio Fontana Held bei Hands noch standhält. In Anbetracht dessen, was bereits in der Kunst versucht worden ist, wird die Frage „Ist das etwa noch Kunst oder nur Nachahmung?“ für Gedi Sibony, gerade als in New York lebendem Künstler, zum operationalen Moment seiner Ästhetik. Dabei erschließt er ausgehend von gefundenen oder lässig nachgemachten Objekten die traditionellen Bereiche von Skulptur und Bild, um dann im Gegenzug aus dem Bereich des Bildraumes hinaus zu verweisen. “The procession of objects through the natural process of use in daily procedure finds its highest rewards in those spatial freeing up moments that keep growing in the future.”
Auch in anderen Arbeiten geht es um Beziehungs- und Kommunikationsformen, die etwa in den Zeichnungen Elke Silvia Krystufeks auf größere soziale Zusammenhänge verweisen. Kommunikation mit sich und dem/der Betrachter/in findet in dem kleinen intimen Bild von Siggi Hofer statt. Die Verschiebung beziehungsweise Verdrehung, die spiralförmig, wie bei dem Gmundener Keramik Paravent von Verena Dengler ausfallen kann oder wie das gestische Wischen bei Wolfgang Breuer und Lucie Stahl (Ihr Affe ist ungleich aggressiver und schillernder als der Pettibons) lässt eine unangepasste Sperrigkeit durchblicken. Die Künstler/innen beobachten abweichende Handlungen oder merkwürdige Anordnungen im disziplinierten Raster der Stadt, im Regelwerk sozialer Systeme. Das hat, wenn auch indirekt, etwas mit Dan Grahams Untersuchungen urbaner Strukturen und Peter Friedls politischen Setzungen zu tun. Beide Konzeptkünstler unterschiedlicher Generation waren ebenso wie Heimo Zobernig mehrfach auf der documenta präsent und sind wie er durchaus prägend für jüngere Künstler/innen. Zwischen Ordnung und Auflösung ist auch Zobernigs Umgang mit dem Raster angelegt. Wolfgang Breuers kopierte Fotografien dagegen beschäftigen sich vom Material her damit. Hier bilden die Pigmente Rasterpunkte, die im Kopierprozess verwischt werden. In einem Dazwischen bewegt sich auch John Bock, zwischen Installation und Performance, zwischen Kunst und wissenschaftlichem Klamauk. Sein Gitter mit Schachbrettstuhl könnte man auf Marcel Duchamp beziehen, ebenso wie den zerbrochenen Spiegel von Heimo Zobernig.
Mehrere Arbeiten nutzen den neuen Ausstellungsraum in Baden als Bühne für einen Auftritt zwischen Abstraktion und Animation. Sie scheinen ein geheimes Eigenleben zu entwickeln, kaum dass man ihnen den Rücken kehrt, wie z. B. Franz Wests Lemure, der Inhalt der Einmachgläser von Gelatin, oder das verkleidete Figuren auf einem Foto von Olaf Breuning. Ei Arakawas und Nikolas Gambaroffs Puppe im Schaufenster verbindet Körper, Sprache und Tafelbild. Anthropomorph ist auch Henning Bohls abstrakte Papierarbeit oder Will Benedicts expressive Malerei, in der sich deutlicher ein Gesicht abzeichnet. Weniger offensichtlich könnte man Anita Leisz’ elegantes Wandobjekt als Figur mit Augen und Mund lesen. Die Doppelung der Rigipsplatte in der Glasscheibe wird nur notdürftig mit einem Gürtel zusammen gehalten, so scheint es. Tatsächlich ist es genau umgekehrt. Die Holzschiene, trennt die beiden ähnlichen Formen aber grundverschiedenen Materialien voneinander, die fast parallel aneinander lehnen. Ein minimalistisches Beziehungsspiel. Es ist wie in der gesamten Ausstellung, die Beziehungen herstellt, die temporär und situativ sind und ständig in Bewegung gehalten werden. Sie bilden ein lebendiges Gedankengefüge, das einem Frage- und Antwortspiel gleicht, in dem es parallele Lesarten gibt und sich widersprechende Behauptungen.